Selbst die neue „S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen“ möchte das nicht verneinen – man könne eine Unterstützung durch Homöopathie erwägen.
FORTSETZUNG:
„Evidenzbasiert“ hat sich zu einem Zauberwort in der modernen Medizin entwickelt. Nur was in eindeutigen Studien belegt ist, hat quasi eine Existenzberechtigung – und wird u.U. in eine der Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften aufgenommen, die der Ärzteschaft als Entscheidungshilfen dienen sollen.
Die neue Leitlinie
Die neue Leitlinie1 nimmt auf fast 700 Seiten Stellung zu verschiedensten Therapieformen und Anwendungen in Ergänzung zu konventionellen Krebsbehandlungen (die „Kurzfassung“2 umfasst immer noch 186 Seiten). Sie empfiehlt hier etwas (selten), rät dort von etwas anderem ab (vielleicht etwas häufiger). Oft stünden nicht genügend Daten bzw. evidenzbasierte Studien für eine Einschätzung zur Verfügung, und oft ist es ein „kann“.
Der Homöopathie – die immerhin als „medizinisches System“ eingestuft wird – sind in der Langfassung sechs Seiten gewidmet. Im Mittelpunkt stehen zwei Studien von Prof. Michael Frass und Mitarbeitern (20153 bzw. 20204), die den Ansprüchen der Leitlinienexperten genügen.
Nicht zu ignorierende Ergebnisse zu besserer Lebensqualität
Die ältere Studie betrachtet 373 Patienten mit unterschiedlichen Krebserkrankungen. Teils wurden sie adjuvant zur konventionellen Therapie individuell homöopathisch behandelt, teils blieb es bei Chemo-/Radiotherapie. Sowohl in Bezug auf den allgemeinen Gesundheitszustand als auch auf das subjektive Wohlbefinden erreichten die homöopathisch Betreuten eine signifikant höhere Lebensqualität.
Das Fazit der LL-Kommission (S. 109): Es „kann aufgrund der stark positiven Ergebnisse dieser Studie der Einsatz von klassischer Homöopathie (Erstanamnese in Kombination mit individueller Mittelverschreibung) zur Verbesserung der Lebensqualität bei onkologischen Patienten zusätzlich zur Tumortherapie erwogen werden.“
Längere Überlebenszeit
Die jüngere Studie wurde spät eingereicht; in der Kurzfassung der LL wie auch in der Übersicht der Langfassung fehlt sie und wird nur im dortigen „Hintergrundtext“ beschrieben. Dabei ist sie sehr spannend!
150 Patienten mit bestimmten Formen von Lungenkrebs wurden ergänzend zur konventionellen Therapie teils individuell homöopathisch behandelt (hier Gruppe A genannt), teils erhielten sie nach der Anamnese nur Placebo (B), teils wurden sie gar nicht zusätzlich behandelt, sondern nur „beobachtet“ (C). Die Gruppe C umfasste diejenigen, die sich nicht in eine der beiden anderen Gruppen losen lassen wollten. Alle Gruppen waren etwa gleich groß. Die Ergebnisse zeigen für die homöopathisch Behandelten (A):
- eine signifikante Erhöhung der Lebensqualität gegenüber Gruppe B (C war hier unberücksichtigt) und
- eine im Mittel bedeutend längere Überlebenszeit. Sie lag in Gruppe A bei durchschnittlich 435 Tagen, in Gruppe B (Placebo) wesentlich niedriger mit 257 Tagen und in Gruppe C noch niedriger mit 228 Tagen.
Also: Der Einsatz individuell abgestimmter Homöopathika KANN erwogen werden. Nicht wahr?
3 Frass, M., Friehs, H., Thallinger, C., Sohal, N. K., Marosi, C., Muchitsch, I., . . . Oberbaum, M. (2015). Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients - A pragmatic randomized controlled trial. - Complementary Therapies in Medicine, 23(3), 309-317
4 Frass, M., Lechleitner, P., Gründling, C., Pirker, C., Grasmuk‐Siegl, E., Domayer, J., . . . Muchitsch, I. (2020). Homeopathic Treatment as an Add‐On Therapy May Improve Quality of Life and Prolong Survival in Patients with Non‐Small Cell Lung Cancer: A Prospective, Randomized, Placebo‐Controlled, Double‐Blind, Three‐Arm, Multicenter Study. The oncologist, 25(12), e1930-e1955
Abbildungen: Treppe: punctum saliens; Vater/Kind: www.pixabay.com